In den vergangenen Monaten kamen wiederholt Verlagsleiter und andere Führungskräfte aus Verlagen auf mich zu, mit der Frage, welche Brücke sie als Führungskräfte ihren Verkäufern bauen können, damit die gelernten Inhalte aus Trainings im Verkaufsalltag nachhaltig umgesetzt werden. Um diese Frage zu beantworten, erhältst du in diesem Beitrag zunächst ein Verständnis über die Grundlagen von Lernprozessen und welche Rolle Verhaltensweisen dabei spielen. Anschließend gebe ich dir vier konkrete Methoden an die Hand, die du als Führungskraft nutzen kannst, um deine Verkäufer nach einem Training beim Anwenden der gelernten Inhalte im Alltag zu unterstützen. Hierbei handelt es sich nicht um Standardmethoden wie das klassische Feedbackgespräch, eine Zielvereinbarung oder regelmäßige interne Auffrischungstermine, sondern um kreativere Ansätze, die den Verkäufern Spaß bereiten und sich bei der Umsetzung in der Vergangenheit bewährt haben.
Der Lernprozess
Der Lernprozess beschreibt, wie Menschen grundsätzlich neue Themen und Inhalte lernen und im Alltag umsetzen. Der klassische Prozess besteht hierbei aus drei Phasen: Kennen, Können und Tun.

„Kennen” bedeutet, dass ein Teilnehmer von einem Thema gehört hat. Eventuell kennt er die Besonderheiten und weiß, welchen Nutzen dieses Wissen für ihn hat. Doch es bedeutet nicht, dass dieses Wissen auch von ihm angewandt wird.
In der zweiten Phase, dem „Können“ kann das theoretische Wissen in die Praxis überführt werden. „Können” besagt, dass das Wissen in fiktiven Situationen, Trockenübungen oder unter bewusster Reflektion im Tagesgeschäft angewendet werden kann. Wenn du also deinen Verkäufer aufforderst, dir ein Thema erklären zu lassen, ist er in der Lage dies zu tun. In dieser Phase unterscheiden wir zwischen Fach- und Methodenkompetenz. Bei der Fachkompetenz ist der Verkäufer in der Lage, fachliches Wissen in eigenen Worten wiederzugeben. Bei der Methodenkompetenz kann er die gelernte Methode in einer gestellten Situation anwenden. Ist die Methode, welche er im Training gelernt hat, die Einwandbehandlung, so ist er in der Phase des Könnens fähig, einen von dir vorgespielten Einwand sauber zu behandeln. Zudem bedeutet „Können”, dass der Verkäufer die Methode in seinen Verkaufsstil interpretiert hat und sich beim Anwenden wohlfühlt.
Die dritte Phase, das „Tun“, sagt aus, dass der Verkäufer die gelernte Kompetenz unbewusst in seinem Alltag in seinen Verhaltensweisen umsetzt. Er hat nicht nur von dem Thema gehört oder kann es bei Aufforderung erklären, sondern setzt es gewinnbringend im Alltag zum Beispiel bei Kundengesprächen ein.
Wo liegt in deinen Augen in diesem Lernprozess die Herausforderung? Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Herausforderung darauf beruht, den Schritt vom „Können” ins „Tun” zu schaffen. Dieser Schritt kann nicht in einem Training abgebildet werden. Vielmehr ist es zum Großteil Führungsaufgabe, diesen Schritt zu begleiten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass nur ein sehr geringer Teil aller Verkäufer in der Lage ist Trainingsinhalte selbstständig in die eigenen Verhaltensweisen zu übertragen. Das heißt, ein großer Teil der Verkäufer benötigt genau an dieser Stelle deine Unterstützung als Führungskraft.
Verhaltensweisen
Möchtest du deinen Verkäufern die Brücke bauen, um vom „Können” ins „Tun” zu kommen ist es wichtig, dass du über Hintergrundwissen zum Thema Verhaltensweisen verfügst. Verhaltensweisen können als eine Art programmierter Automatismus in unserem Gehirn verstanden werden, der uns ermöglicht, Verhalten auszuführen ohne dass wir dieses bewusst steuern müssen. Je nach Thema der Verhaltensweise hat dieser Automatismus Vor- und Nachteile. Eine Verhaltensweise ist immer in drei verschiedenen Schritten aufgebaut:
Verhaltensweise = Trigger (Auslöser) + Aktion + Belohnung (kurzfristig)
Beispiel: „Immer wenn ich beschließe das Haus zu verlassen, putze ich meine Zähne. Das gibt mir ein gutes Gefühl.“
Beachte, dass die Belohnung immer unmittelbar eintritt. Die Belohnung im Beispiel „Zähneputzen“ ist also nicht „Karies vermeiden“, weil das eine langfristige Belohnung wäre. Verhaltensweisen sparen nicht nur eine Menge Zeit, da Aktionen unbewusst gesteuert werden, sondern weil man auch selbst darauf vertrauen kann, dass man nach diesem Muster handelt. Die Herausforderung liegt bei der Schaffung neuer Verhaltensweisen. Dafür gilt folgende Regel: Nach 21 Tagen kontinuierlicher Wiederholung der neuen Verhaltensweise sinkt der innere Schweinehund (der einen davon abhalten will), nach 100 Tagen kontinuierlicher Wiederholung ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Verhaltensweise für den Rest des Lebens ausgeführt wird.
Das Schwierige ist also der Start. Deshalb ist es wichtig, Verhaltensweisen so klar wie möglich zu definieren. Dafür ist die Nutzung der „Immer wenn [Trigger], dann [Aktion] + [Belohnung]“-Formulierung hilfreich. Zusätzlich ist es sinnvoll, Alltagsanker zu setzen. Ein Alltagsanker ist ein Objekt oder sonstiges sichtbares Zeichen, das im Alltag an die Verhaltensweise erinnert. So können z.B. Post-It’s oder ein Satz als Desktophintergrund genutzt werden. Wenn bestehende Verhaltensweisen verändert werden sollen, dann funktioniert es nach demselben Schema wie oben, nur dass auf den bestehenden Trigger der zu ersetzenden Verhaltensweise eine neue Aktion gelegt wird. Das kann man sich wie eine Weiche vorstellen, sodass der Alltagsanker daran erinnert, jeden Tag ab jetzt links statt rechts abzubiegen.
Und wie kann ich als Führungskraft nun konkret vorgehen, um meinen Verkäufern dabei zu helfen, erlernte Kompetenzen in ihren Alltag zu verankern?
Methode 1: Produkt- und Kompetenzmurmeln
Du als Führungskraft besorgst dir Holzmurmeln und ein kleines Säckchen zur Aufbewahrung dieser. Auf jede Murmel schreibst du mit Filzstift eine Kompetenz oder ein Thema, welches im Training behandelt wurde. Anschließend steckst du alle Holzmurmeln in das Säckchen. In einem Ritual, beispielsweise der wöchentlichen Teambesprechung, zieht jeder Verkäufer und auch du als Führungskraft eine Murmel. Der darauf stehende Begriff wird dann in 1-3 Minuten der Reihe nach von jedem kurz vorgestellt. Die Spielregeln beinhalten, dass niemand ausgelacht wird falls jemand eine Antwort mal nicht parat hat. Kann ein Spieler seinen Begriff nicht erklären oder gibt es noch Ergänzungen, so können die weiteren Teilnehmer nach dem ersten Versuch aushelfen. Nachdem eine Runde vorüber ist, werden die Murmeln wieder im Säckchen gesammelt und der Vorgang wiederholt sich im nächsten Wochenritual.
Achte darauf, dass die Murmeln von den Mitarbeitern selbst gezogen und nicht durch dich verteilt werden, um Zustimmung von den Teilnehmern zu erhalten und eine erfolgreiche Durchführung zu garantieren. Mithilfe dieser Methode werden erlernte Kompetenzen regelmäßig wieder ins Bewusstsein gerufen und durch unterschiedliche Worte erklärt. Der Vorgang bereitet den Teilnehmern Spaß, sorgt für einen hohen Interaktionsgrad und nimmt durch den Wiederholungsprozess die Angst vor den neuen Methoden und dem neuen Fachwissen. Ist die Teilnehmergruppe sehr groß, so kannst du als Führungskraft sie in kleinere Gruppen unterteilen. So stellst sicher, dass der zeitliche Rahmen des wöchentlichen Rituals eingehalten wird.
Methode 2: Der Challenger-Prozess
Der Challenger-Prozess bedeutet, dass du als Führungskraft Reflexionsgespräche mit deinem Verkäufer zwischen seinen einzelnen Kundenkontaktpunkten führst. Als Beispiel: Der Verkaufsprozess besteht aus vier Phasen: 1. Ein telefonisches Entscheidergespräch zur Terminvereinbarung mit dem Kunden, 2. Ein persönlicher oder telefonischer Bedarfsanalyse-Termin, 3. Ein persönlicher Pitch-Termin und 4. Ein persönlicher oder telefonischer Evaluations-Termin. Du und dein Verkäufer sucht euch nun einen Kunden, proaktiv akquiriert werden soll. Zwischen den einzelnen Phasen, also den Kundenkontaktpunkten, setzt ihr euch zusammen und besprecht wie die Kundenbetreuung derzeit funktioniert. Dafür kannst du beispielsweise auf einem leeren Blatt Papier zwei Spalten aufmalen. In die linke Spalte schreibt der Verkäufer dann alle Informationen, die er bereits über den Kunden sammeln konnte, während er in der rechten Spalte zusammenfasst welche weiteren Informationen er beim nächsten Kundenkontakt in Erfahrung bringen muss. Mit dieser Fragetechnik hilfst du dem Verkäufer sich zu reflektieren und mehr Horizont und Tiefe in seiner Kundenbetreuung zu erzielen. Achte bei den Terminen mit deinem Verkäufer darauf, dass du auf offene Fragen zurückgreifst und Suggestivfragen sowie geschlossene Fragen vermeidest. So signalisierst du deinem Mitarbeiter, dass du ihm unterstützend zur Seite stehst und stellst einen aktiven Reflexionsprozess seinerseits sicher.
Befindet sich der Verkäufer zwischen der zweiten und dritten Phase, also vor seinem Pitch, kannst du mit ihm gemeinsam im Vorfeld den Pitch üben. Lass dir seinen vorbereiteten Pitch vorstellen, gib ihm konstruktives Feedback und erarbeitet gemeinsam eine gut durchdachte und überzeugende Präsentation. Auf diesem Weg bekommt der Verkäufer ein tiefes Kundenverständnis und lernt deine reflektierende Haltung als Führungskraft zu schätzen. Zudem lässt sich der Challenger-Prozess sinnvoll mit der Umsetzung neuer Kompetenzen verknüpfen. Hat dein Verkäufer gerade ein Training besucht und möchte nun für ihn wichtige Kompetenzen in seinen Verkaufsalltag integrieren, so könnt ihr diese gezielt im Challenger-Prozess ansprechen, berücksichtigen und in den Terminen anwenden.
Methode 3: Die Forschungsbuddies
Bei dieser Methode werden im Anschluss an ein Training Paare gebildet, die sogenannten Forschungsbuddies. Sinnvoll ist bei der Paarbildung, dass die zusammengehörigen Buddies einen ähnlichen Verkaufsstil verfolgen und dieselbe Methode umsetzen wollen. In einem zu Beginn festgelegten Zeitraum (das kann eine Woche oder auch ein Monat sein, abhängig vom Verkaufsprozess) bekommen die Forschungsbuddies die Möglichkeit, die erlernte Kompetenz bzw. Methode in ihren Alltag zu implementieren. Der Begriff “Forschung” wird gezielt verwendet. Die Verkäufer werden angespornt herauszufinden wie sie auf ihre eigene Art und Weise das im Training Erlernte in ihren Verkaufsstil übertragen können.
Nach dem abgesprochenen Zeitraum wird die Umsetzung in der Gruppe reflektiert und im Anschluss eine weitere Kompetenz gewählt, die die Forschungsbuddies im nächsten Zyklus gezielt behandeln möchten. Alternativ kannst du die Zusammensetzung der Forschungsbuddies auch nach jedem Zyklus neu wählen, sodass unterschiedliche Blickweisen innerhalb der Gruppen garantiert werden. Um diese Methode anzuwenden benötigst du eine Liste der Methoden, die im Training zur Sprache kamen. Diese Liste erhältst du entweder vom Trainer oder erarbeitest sie im Vorfeld mit deinen Verkäufern selbst. Anschließend führst du ein Ritual ein, in dem die Gruppen gebildet und ihre Forschungsergebnisse ab der zweiten Sitzung reflektiert werden.
Diese Methode ist erfolgsbringend, da sie impliziert, dass die Umsetzung von Methoden oder Fachwissen im Verkaufsalltag keine Selbstverständlichkeit ist. Viel erfordern sie eine aktive Interpretation, die den Verkäufern im Austausch mit Kollegen leichter fällt. Zudem ermutigt die Forschungsbuddy-Methode aufgrund der Verwendung des Wortes Forschung dazu, verschiedene Ansätze auszuprobieren. Der Fokus liegt nicht darauf, ob die trainierte Methode im Alltag funktioniert, sondern wie sie funktioniert.
Methode 4: Kompetenz-Tore
Die Kompetenz-Tore-Methode bedeutet, dass dein Team und du sich zwei bis drei Stunden Zeit nehmen, um im Training erlernte Kompetenzen intern auf spielerische Weise zu wiederholen und zu festigen. Um diese Methode durchzuführen benötigst du als Führungskraft eine gewisse Vorbereitung. Hierfür suchst du dir zwei bis drei Unterstützer, welche die im Training behandelten Inhalte bereits sicher beherrschen und in der Lage sind, diese in die verschiedenen Verkaufsstile der Teilnehmer zu interpretieren. Das können deine eigene Führungskraft, Kollegen oder Mitarbeiter sein.
An dem Tag, an dem die Kompetenz-Tore-Methode durchgeführt werden soll, verteilen sich deine Unterstützer und du an den einzelnen Türen – die sogenannten Tore – der Büroräume vor Ort. Die Mitarbeiter gehen nun von Raum zu Raum und trainieren an den verschiedenen Toren die einzelnen Kompetenzen. Das Ablaufen der Tore kann in unterschiedlicher Reihenfolge passieren. Wichtig ist nur, dass jeder Mitarbeiter alle Stationen einmal durchläuft. Sind die Betreuer der Stationen der Ansicht, dass ein Teilnehmer die Kompetenz gut beherrscht, so erhält er eine von dir zuvor gewählte Belohnung, wie zum Beispiel einen Stempel auf einer Karte oder eine Süßigkeit und darf er zur nächsten Station weitergehen. Sitzt eine Kompetenz an einem Tor mal nicht so gut, gibt der Stations-Betreuer ein konstruktives Feedback und der Teilnehmer darf zu einem späteren Zeitpunkt einen weiteren Versuch wagen.
Achte darauf, dass jeder Teilnehmer über den ganzen Zeitraum mit einem Notizbuch oder ähnlichem ausgestattet ist, sodass er sich Notizen machen und Feedback schriftlich festhalten kann, um in weiteren Versuchen und seinem Verkaufsalltag darauf zurückgreifen zu können. Die Kompetenz-Tore-Methode macht deinen Mitarbeitern Spaß, ist sehr interaktiv und lebendig und sorgt auf spielerische und angenehme Weise dafür, dass Gelerntes wiederholt und trainiert wird.
Ich hoffe, dass du diese vier Methoden nutzen kannst, um deinen Teilnehmern eine starke Brücke zu bauen und ihnen zu helfen, die Lerninhalte eines Trainings in ihren eigenen Verkaufsstil und -alltag zu übersetzen. Vielleicht entwickelst du auch eigene kreative Ideen wie du deinen Verkäufer bei der Übertragung in den Alltag unterstützend zur Seite stehen kannst. Denke immer daran, dass ein Training im Lernprozess nur die ersten beiden Stufen abdeckt und das Erreichen der dritten Stufe – das Tun – deine Mitarbeit als Führungskraft erfordert, damit erlerntes Wissen und erlernte Kompetenzen nachhaltig im Verkaufsstil und -alltag integriert werden.
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