Das Key-Account–Management der Tageszeitungsverlage erzielt einen Großteil des Vermarktungsumsatzes. Dementsprechend liegt dort großes Potential, um den Digitalumsatz des Gesamtverlages signifikant zu stärken. Gleichzeitig stellen Key Accounts (die Schlüsselkunden) jedoch ein enormes Risiko für den Verlag dar, da hoher Umsatz von wenigen Entscheidungen abhängt. Sofern diese Entscheidungen gegen den Verlag getroffen werden, können diese erhebliche Einbußen im Vermarktungsumsatz bedeuten. Aus diesem Grund ist es wichtig diese Risiken frühzeitig zu erkennen, um sich bei Bestands-Key–Accounts zielgerichtet zu positionieren und gleichzeitig neue Key Accounts für den Verlag aufzubauen.

Seit einiger Zeit betreuen wir die lokalen Key Accounter verschiedener Tageszeitungen. Unsere Erfahrungen haben wir in acht Reflexionsfragen zusammengefasst, die dir als lokaler Key Accounter helfen, deine Stärken und Schwächen bei deinen Key Accounts zu erkennen. Darauf aufbauend kannst du dir eine Entwicklungsstrategie und nächste Schritte ableiten.

Bevor wir näher darauf eingehen, schauen wir uns einen Beispiel-Key–Account an und analysieren anhand dessen, wie eine komplexe Entscheidungsstruktur bei einem Key Account aussehen kann. Zu beachten ist, dass das von uns gezeigte Beispiel lediglich ein Querschnitt aus verschieden erlebten Entscheidungsstrukturen darstellt und in deinem Alltag individuell abweichen kann.

Das Beispielunternehmen
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Das Beispielunternehmen heißt Cosmus Cosmetica und ist eine regionale Drogeriekette, die 80 Filialen umfasst. Der Entscheider, der Leiter im Marketing, heißt Erwin und sitzt am Verlagsstandort. Erwin berichtet direkt an seine Geschäftsführerin Giuliana-Felicia und verhandelt mit ihr sein Marketingbudget. Giuliana-Felicia ist bekannt für ihre vielen kreativen Ideen und wurde als Geschäftsführerin eingesetzt, um die regional schwächelnde Drogeriekette wieder aufzubauen. Erwin hat ein zweiköpfiges Team, bestehend aus Andrea und Alexander, die auf der einen Seite den Kontakt zu den drei Filialleitern halten und auf der anderen Seite mit der Agentur und den Reichweitenpartnern kommunizieren.

Die drei Filialleiter Florian, Frauke und Felix verantworten jeweils zwischen 20 und 30 Filialen. Sie verfügen über individuellen regionalen Handlungsspielraum im Marketing und sind teilweise von zentral gesteuerten Marketingkampagnen abhängig. Ihr Budget verhandeln sie mit Erwin. Dieser behält einen Teil des mit Giuliana verhandelten Budgets für zentrale Kampagnen ein und gibt den anderen Teil an die Regionalleiter weiter.

Erwin arbeitet zudem seit vielen Jahren mit der Agentur Frische Fische und dessen Ansprechpartner Friedrich zusammen. Friedrich unterstützt Erwin bei der Koordination von Reichweitenpartnern für Marketingkampagnen sowie bei der operativen Umsetzung von Kampagnen. Zu den vier Reichweitenpartnern zählen neben dir als Ansprechpartner der Tageszeitung eine Online-Agentur mit dem Ansprechpartner Oliver, Diana, die das Thema Außenwerbung anbietet und Ralf, der für regionale Radiosender zuständig ist. Ralf, Oliver, Diana und du „streitet“ euch mit der Agentur um den größten Budgetteil.

Friedrich, der Ansprechpartner der Agentur, nimmt von eurer Reichweite eine Handelsmarge und verkauft die Reichweite weiter an Erwin. Das bedeutet, dass ein Großteil des Budgets an Friedrich geht, der es wiederum an die vier Reichweitenpartner weiterverteilt. Friedrich arbeitet jedoch nicht ohne sich vorher mit Erwin abzustimmen. Das heißt er bekommt von Erwin sehr klare Anweisungen in welchen Kanal wie viel Budget investiert werden soll. Erwin selbst beschäftigt sich seit mehreren Jahren intensiv mit dem Thema Marketing und wurde von Giuliana eingesetzt, um das Marketing der Cosmus Cosmetica komplett neu aufzustellen. Ausgehend von dieser Ausgangslage erhältst du nachfolgend unsere acht Reflexionsfragen. Diese helfen dir zu entscheiden, wo in dieser Entscheidungsstruktur die Stärken liegen und an welchen Stellen du bei der Entwicklung dieses Kunden behindert wirst.

 

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Reflexionsfrage 1: Wie viel Horizont hat der Entscheider?

Vom Entscheider Erwin wissen wir, dass er sich sehr intensiv mit dem Thema Marketing auseinandersetzt und über einen großen Horizont in diesem Gebiet verfügt. Diese Expertise spiegelt sich auch in der von Erwin in den letzten Jahren etablierte Struktur, die auf mehrere Werbegattungen für verschiedene Marketingkampagnen ausgelegt ist, wider. Ob ein Entscheider über tiefe Kenntnisse im Bereich Marketing verfügt oder nicht kann beides von Vorteil sein. Die größere Entwicklungsfähigkeit liegt jedoch dann vor, wenn sich der Entscheider bereits grundlegend mit dem Thema auskennt und sich aus eigenem Interesse damit auseinandersetzt. Hat ein Entscheider einen sehr geringen Horizont, kannst du dies für deine eigene Positionierung nutzen indem du ihm zur Seite stehst und ihm dabei hilfst seinen Horizont im Bereich Marketing auszubauen.

Reflexionsfrage 2: Wer hat Partnerstatus?

Partnerstatus bedeutet, dass es einen Akteur gibt, den der Entscheider auf Augenhöhe wahrnimmt und in der Lage sieht, seinen Bereich konzeptionell mit ihm weiterzuentwickeln. Genießt eine andere Person, zum Beispiel Friedrich von der Agentur diesen Status, so ist die Entwicklungswahrscheinlichkeit dieses Kunden für dich sehr gering, da Friedrich deine Entwicklung blockieren wird. Wenn keiner den Partnerstatus bei Erwin hat, ist dies für dich und deine Positionierung eine große Chance. Bist du bereits der Partner, befindest du dich in einer sehr guten Ausgangslage, um deinem Entscheider zur Seite zu stehen und frühzeitig an der Entwicklung neuer Marketingkampagnen und der Gesamtrichtung des Bereiches mitzuwirken. In unserem oben genannten Beispiel genießt keiner der Akteure Partnerstatus. Dadurch ergibt sich für dich eine Entwicklungschance, da du die Position noch einnehmen kannst.

Reflexionsfrage 3: Wie viel Vertrauen hast du als Verkäufer beim Entscheider?

Wenn du als Verkäufer wenig Vertrauen bekommst, weil du noch nicht viele Kontaktpunkte mit dem Entscheider hattest oder bisher immer nur als Reichweitenlieferant im Bereich Print positioniert warst, dann bietet sich dir als Verkäufer eine große Entwicklungschance. Beschäftige dich aktiv damit, deinen Entscheider positiv zu überraschen und dein Vertrauen durch passende Maßnahmen kontinuierlich auszubauen. Das Vertrauen des Entscheiders hilft dir beim Vereinbaren von Terminen sowie beim Sammeln sensibler Informationen, die du für die Konzeption individueller Lösungen für diesen Kunden benötigst. In unserem aktuellen Fall hast du als Verkäufer wenig Vertrauen beim Entscheider, da eure Kommunikation bisher lediglich über die Agentur oder seine Mitarbeiter stattgefunden hat.

Reflexionsfrage 4: Wie gut verstehen sich Entscheider und Geschäftsführer?

Mit dieser Frage setzen sich erfahrungsgemäß sehr wenige Verkäufer auseinander. Das liegt vor allem daran, dass sie zu Beginn nur mit dem Entscheider und nicht dem Geschäftsführer in Kontakt stehen und somit die Frage für sie nur sekundär relevant erscheint. Tatsächlich ist sie jedoch von enormer Wichtigkeit. Schließlich hängt die Höhe des Budgets, mit dem der Entscheider arbeitet, oft vom Verhältnis des Entscheiders zum Geschäftsführer ab. Verstehen sich Entscheider und Geschäftsführer schlecht, kannst du davon ausgehen, dass das Budget stark limitiert ist und nur das nötigste in Richtung des Entscheiders gelenkt wird. Verstehen sich die beiden hingegen gut oder ist der Entscheider sogar wegen des Geschäftsführers in das Unternehmen eingestiegen, hast du dort kurze Kommunikationswege, schnelle Entscheidungen und vor allem ein deutlich flexibleres Budget. Zudem ist es möglich mit ausgefallenen Ideen auf den Entscheider zuzugehen, die er dem Geschäftsführer vorstellt, da diese eine enge Kommunikationskultur sowie einen engen Austausch pflegen. Interessant ist auch die Frage, inwiefern der Geschäftsführer den Entscheider selbst bei der Planung strategischer Maßnahmen mit einbezieht.

Reflexionsfrage 5: Welche Entscheidungskompetenz haben die Filialansprechpartner?

Wenn eine Filialstruktur bei deinem Vermarktungskunden vorhanden ist, stellt sich immer die Frage, ob Entscheidungen demokratisch oder zentral getroffen werden. Werden Entscheidungen demokratisch getroffen, sind die Marketingverantwortlichen in den Filialen ein wichtiger und elementarer Teil deines Einkaufsprozesses. Das bedeutet, dass du mehr Energie investieren solltest, die Filialansprechpartner abzuholen und bei der Konzeption deiner Kampagne einzubeziehen. Denn hier liegt ein großer Vorteil: Du bist nicht mehr nur von einer einzigen Person bei diesem Kunden abhängig, sondern hast die Möglichkeit mehrere Marketingverantwortliche von dir zu überzeugen. Wird die Entscheidung hingegen zentral getroffen, verfügst du über die Möglichkeit den Kunden deutlich schneller zu entwickeln. Gleichzeitig besteht aber auch ein deutlich höheres Risiko, da du direkt den ganzen Kunden verlierst, sobald die Entscheidung gegen dich fällt. Die Beziehungsarbeit zum eigentlichen Marketingentscheider spielt also eine deutlich größere Rolle. In unserem Beispiel liegt die Entscheidungskompetenz der Filialen im mittleren Bereich. Das heißt, dass sowohl die Filialmarketingverantwortlichen als auch der Entscheider eine wichtige Rolle spielen. Dementsprechend müssen alle zusammen abgeholt und in deinem Konzept berücksichtigt werden.

Reflexionsfrage 6: Warum verändert sich das Marketing in der Organisation?

Hier geht es darum, herauszufinden, ob und wenn ja warum sich die Struktur des Marketings grundsätzlich verändert. Sollte das der Fall sein, gibt es nur zwei verschiedene Möglichkeiten für den Auslöser dieser Veränderung: Entweder externe Trends, also marktseitige Einflüsse oder interne Strategien, somit unternehmensinterne Einflüsse. Beide Ursachen sind für dich als Key Accounter von starkem Vorteil. Da die Organisation einen Veränderungsprozess durchläuft, kannst du sie in dieser Veränderung konzeptionell unterstützen. Solltest du feststellen, dass sich das Marketing in der Organisation nicht verändert, ist es für dich deutlich schwieriger, dich bei der Organisation zu positionieren. Du befindest dich in diesem Fall automatisch in einem Verdrängungsprozess bereits besetzter Rollen. Die Königsdisziplin ist es, als Verkäufer selbst der Auslöser für die Veränderung des Marketings in der Organisation zu sein (siehe „Mentorenstatus“). In unserem Beispiel haben wir noch keine Information über die Veränderungsbereitschaft im Marketing. Jedoch sind einige Indizien vorhanden. Wir haben festgestellt, dass Erwin und Giuliana sich gut verstehen und Giuliana eingesetzt wurde, um das Unternehmen auf Vordermann zu bringen. Erwin hat in der letzten Zeit eine sehr gute Marketingstruktur aufgebaut, sodass antizipiert werden kann, dass er grundsätzlich veränderungsbereit ist. Unbekannt ist jedoch noch, wie seine Zukunftspläne aussehen und ob er die Veränderung noch weiter vorantreiben möchte. Deine Aufgabe als Key Accounter wäre diese Frage durch eine gezielte Gesprächsführung in Gesprächen mit Cosmus Cosmetica herauszufinden.

Reflexionsfrage 7: Wie fix ist das Budget im Marketingbereich?

Diese Frage ist für dich als Key Accounter extrem spannend. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Bei manchen Organisationen ist das Budget sehr fix und wird unter keinen Umständen ausgereizt. Hier überlegen sich Führungskräfte zweimal, ob sie mit einem proaktiven Konzept versuchen, bei einer höheren Hierarchieebene Extra-Budget, das über das vereinbarte Jahresbudget hinausgeht, zu erhalten. Dagegen gibt es Unternehmen, bei denen das Budget eher variabel ist. Dadurch ergibt sich für Entscheider eine gute Gelegenheit weiteres Budget furch eine fundierte Argumentation zu erhalten. Dieser zweite Fall ist häufig bei inhabergeführten Unternehmen zu finden. Im ersten Fall ist es deine Aufgabe als Key Accounter, die Budgetfindungsprozesse des Unternehmens genau zu verstehen und zum richtigen Zeitpunkt, nämlich in der Planungsphase des kommenden Jahres, deine Konzepte zu integrieren. So kann dein Konzept die Argumentation für ein erhöhtes Budget im kommenden Jahr darstellen. Befindest du dich im zweiten Fall, hast du auch unterjährig die Möglichkeit, deine Entscheider durch ein gut ausgearbeitetes Konzept dafür zu rüsten, weiteres Budget für sich zu organisieren.

In unserem oben genannten Beispiel arbeiten wir eher mit einem eher variablen Budget. Das liegt daran, dass Erwin und Giuliana eine gute Beziehung zueinander pflegen und sie direkt miteinander kommunizieren. Erwin muss nicht über weitere Hierarchiestufen an den eigentlichen Budgetsponsor herantreten. In diesem Fall ist es nun deine Aufgabe als Verkäufer, dir zunächst Partnerstatus bei Erwin zu erarbeiten und ihm anschließend ein fundiertes Konzept an die Hand zu geben, mit dem er Giuliana überzeugen kann, weiteres Marketingbudget zur Verfügung zu stellen.

Reflexionsfrage 8: Wo werden die zentralen Entscheidungen im Bereich Marketing getroffen?

Durch diese Frage soll ermittelt werden, wo der eigentliche Budgetsponsor, in unserem Fall Giuliana, geographisch und hierarchisch sitzt. Die für uns schlechtere Möglichkeit ist, wenn der Budgetsponsor dezentral sitzt. Das heißt, nicht vor Ort in deinem Verbreitungsgebiet, sondern in einem anderen deutschen oder internationalen Standort. Die geographische Entfernung erschwert den Zugriff auf den Budgetsponsor, zum Beispiel in Bezug auf Termine. Die günstigere Möglichkeit ist, wenn der Budgetsponsor vor Ort bei dir im Verbreitungsgebiet sitzt. So besteht die Möglichkeit mit dem Budgetsponsor in Terminen zu kommunizieren oder auf kurze Entscheidungswege zwischen Entscheider und Budgetsponsor zu hoffen. In unserem Beispiel sitzt der Budgetsponsor Giuliana im Verbreitungsgebiet, weil es sich bei Kosmos Kosmetika um eine regionale Drogeriekette handelt. Dadurch verläuft der Entscheidungsprozess zwischen Giuliana und Erwin deutlich schlanker und spielt dir somit in die Hände. In der Perspektive bekommst du die Möglichkeit, dich bei Giuliana selbst in einem Termin zu positionieren. Natürlich funktioniert dies erst, nachdem du dir bei Erwin Partnerstatus und vor allem das nötige Vertrauen erarbeitet hast.

Durch diese acht Reflexionsfragen in Kombination mit der schematischen Skizze deines Buying-Centers (alle beteiligten Kaufbeeinflusser und der Kommunikations- bzw. Verantwortungswege) bekommst du schnell ein Gefühl von den Stärken und Schwächen, die dir dieser Schlüsselkunde aktuell bietet. Auf dieser Grundlage lernst du außerdem, wie du herausfindest, wie deine konkreten nächsten Schritte aussehen, um deinen Schlüsselkunden proaktiv zu entwickeln.

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