Kennst du das als Führungskraft, wenn Kapazitäten in deinen Prozessen/ in deiner Abteilung/ in deinem Bereich fehlen und du direkt daran denkst, neue Mitarbeiter einzustellen? Das kommt daher, dass du noch nicht in Rollen, sondern in Stellen denkst. In diesem Blogbeitrag geht es darum, dir den Unterschied zwischen Stelle und Rolle zu zeigen und dir dabei zu helfen, durch die Definition von Rollen in deinem Team die Situation granularer zu sehen und dadurch besser zu steuern.

Wann ist es sinnvoll, dass du dir über die Definition von Rollen Gedanken machst? Besonders sinnvoll ist es dann, wenn du an einem laufenden Transformationsprojekt arbeitest. Das heißt, dass du deiner Organisation proaktiv dem Markt entsprechend ausrichtest und zum Beispiel an einem zweijährigen Zielbild und dem damit verbundenen Unternehmenswachstum arbeitest. Auch ist es sinnvoll sich mit Rollen zu beschäftigen, wenn du feststellst, dass die „starre“ Linien- oder Matrixorganisation, die du momentan nutzt, dem sich ständig verändernden Geschäft nicht mehr gerecht wird und du daher mehr Mitarbeiter benötigst, die mehr Funktionen und Aufgaben wahrnehmen. In agilen Organisationen, in denen automatisch mehr Aufgabenprofile (Rollen) benötigt werden als Köpfe vorhanden sind, ist das Denken in einer Linien- oder Matrixorganisation gar nicht mehr möglich. Dies liegt daran, dass weder die benötigte Flexibilität gewährleistet ist noch ausreichend Köpfe vorhanden sind, die die Stellen besetzen können. Zusätzlich ist es sinnvoll die Rollen zu definieren und zu reflektieren, wenn du Recruiting-Probleme hast. In diesem Fall ist es häufig nicht sinnvoll, so lange zu warten, bis die Stellen besetzt werden, sondern sich mit einer anderen Lösung zu beschäftigen, die dir denselben Nutzen bringt.

Abgrenzung: Rolle – Stelle – Kopf

Im ersten Schritt geht es darum, dass du eine klare Abgrenzung der Begriffe „Rolle“, „Stelle“ und „Kopf“ bekommst. Die Rolle stellt dabei das Hütchen dar, dass eine bestimmte Person in einer bestimmten Situation aufhat. Dabei kannst du zum Beispiel an dich als Führungskraft in einem Personalgespräch denken. In diesem Fall hast du das Hütchen „Führungskraft“ auf. Wenn du deine Verkäufer bei der Vorbereitung eines wichtigen Kundentermin unterstützt, hast du das Hütchen „Coach“ auf. So kann es sein, dass du (1 Kopf) mehrere Hüte aufhat (x Rollen). Du siehst, du und höchstwahrscheinlich auch alle deine Mitarbeiter haben unterschiedliche Rollen, die unterschiedliche abgesteckte Aufgabenprofile beinhalten. Jede Rolle grenzt sich dabei so ab, dass sie ein differenziertes Tätigkeitsfeld (Aufgabenprofil) und eine damit einhergehende Verantwortung (und einen Freiheitsgrad / Entscheidungskompetenz) beinhaltet. Verantwortung und Freiheitsgrad gehen immer Hand in Hand und sich wichtig, um dem Aufgabenprofil gerecht zu werden. Damit wir von einer „Rolle“ sprechen, ist es wichtig, dass die Rolle nicht nur einmalig kurzzeitig vorkommt, sondern über einen längeren Zeitraum in deiner Organisation benötigt wird.

Bei einer Stelle könnte man jetzt im ersten Schritt denken, dass es auch ein abgrenzendes Tätigkeitsprofil darstellt. Tatsächlich sind Stellen häufig eine Zusammenfassung mehrerer Tätigkeitsprofile. Eine Stelle ist eine Positionsbezeichnung in einem Organigramm. Früher waren Stellen auch das, was auf Visitenkarten stand oder heute auf Xing/LinkedIn steht. Stellen erkennst du auch häufig daran, dass sie an externe Mitarbeiter oder als Stellenausschreibungen formuliert werden. Die Herausforderungen bei Stellen liegt darin, dass das Aufgabenprofil durch die relativ starre Zuteilung von Rollen in eine Stelle sehr unflexibel ist. Dadurch bringen einige Stellen nicht die nötige Handlungsgeschwindigkeit hervor, sondern behindern die Veränderung.

Ein Kopf ist eine bestimmte Person mit einer Kapazität x (z.B. 30 Stunden pro Woche), die eine Stelle oder eine Rolle ausführt. Wenn du zum Beispiel 100 Köpfe in deiner Organisation hast, kann es also sein, dass die 100 Köpfe sich auf 26 Stellenprofile aufteilen, zusammen jedoch 34 verschiedene Rollen haben. Das bedeutet, dass mindestens eine Stelle mehr als eine Rolle hat. Wenn eine Stelle eine Rolle hat oder eine Stelle 2-3 feste Rollen hat, die sich sehr wenig verändern, macht es Sinn in Stellen zu denken. Das kennen wir aus der Linien- oder Matrixorganisation. In der laufenden Transformation ist es jedoch sinnvoll, zuerst einmal in Rollen statt in Stellen zu denken. Das liegt erstens daran, dass wir bei Stellen sehr schnell an Köpfe denken und zweitens, dass wir so systemkritische Engpässe erkennen können.

Der systemkritische Rollenengpass

Der systemkritische Rollenengpass liegt zum Beispiel dann vor, wenn du einen Kopf hast, der eher drei oder vier systemkritische Rollen wahrnimmt. Systemkritische Rollen erkennst du daran, dass sie für die Wertschöpfung (deines Unternehmens oder deines Bereichs) extrem wichtig sind. Das wiederum erkennst du daran, wenn diese Rolle nicht funktionieren. In diesem Fall ist das Ergebnis Stillstand oder ein Engpass in deinen Kernprozessen. Wenn du weiterwächst, werden diese Köpfe (die zu viele systemkritische Rollen tragen) zum Engpass werden.

Jede Organisation hat dabei sogenannte Helden. Helden sind Menschen, die mit Leichtigkeit mehrere systemkritische Rollen ausfüllen können. Dabei ist es für die Helden (und auch für dich als Führungskraft) erstmals sehr angenehm, weil sie für die Wertschöpfung, für die Gesamtorganisation und für den Bereich wichtig und äußerst produktiv sind. Auch für dich als Führungskraft bedeuten Helden erst einmal eine Menge Komfort. Beim genaueren Hinschauen ist es jedoch weder für den Helden noch für die Organisation wünschenswert, dass ein Kopf drei oder vier systemkritische Rollen beinhaltet. Nicht nur wird extrem wichtiges Know-how in einem Kopf gebunden, sondern wird der Kopf bei einem Unternehmenswachstum automatisch den Engpass darstellen.

Im Rahmen der Transformation stellt der IST-Stand (Rollen-Kopf-Zuordnung) einen Kompromiss dar. Da durch die Segmentierung und die marktorientierte Ausrichtung der Organisation zwangsweise neue Rollen entstehen müssen, die noch nicht besetzt sind, ist es daher sinnvoll, erst einmal in Rollen zu denken und diese nach und nach mit laufender Transformation aufzulösen. Das heißt, systemkritische Rollen sollen im laufenden Umbau voneinander getrennt und evtl. sogar in Stellen aufgeteilt werden. Du solltest jedoch wissen, dass es im Jahr 2022 sogar Unternehmen gibt, die überhaupt keine festen Stellenprofile mehr haben. Das ist wiederum natürlich nur möglich, wenn es die Organisationsform oder auch die rechtlichen Rahmenbedingungen (Tarifvertrag, Geldmodelle, etc.) zulassen.

Fünf Vorteile von „Denken in Rollen“

1. „Make or Buy“

Im Jahr 2022 wird es immer schwieriger, qualifizierte Fachkräfte für dich und dein Unternehmen zu gewinnen. Das bedeutet, dass du nicht zwangsweise alle Rollen selbst intern besetzen kannst. Durch das Denken in Rollen und das klare Definieren der Rollen, kannst du eine Make or Buy- Entscheidung treffen. Das heißt, du kannst entscheiden, ob diese Rolle systemkritisch und wichtig für deine Leistung ist, sodass du sie intern besetzen solltest oder ob du sie (oder das Ergebnis) extern bei einem Dienstleister oder Partner einkaufen kannst.

2. Handlungsfähig bleiben bei „Recruiting-Engpass“

Durch die granulare Abgrenzung kannst du deine Organisation feingliederiger transformieren. Das heißt, dass du nicht jedes Mal direkt neue Mitarbeiter einstellen musst, wenn du wächst, sondern dass du dir gemeinsam mit deinem Team überlegen kannst, wie du die Rollen innerhalb der Teams umverteilen kannst und was ausgelagert werden kann. Natürlich werden bei weiterem Wachstum weitere Mitarbeiter benötigt werden. Diese Mitarbeiter sind jedoch dann bewusste Entscheidungen für interne Rollen, die wichtig für Kundennutzen und Qualität sind. Wenn du die Stellen nicht direkt besetzen kannst, ist es so trotzdem möglich, handlungsfähig zu bleiben, weil die Rollen übergangsweise umverteilt werden können.

3. Spezifische Ausbildung

Abgegrenzte Rollen mit abgegrenzten Tätigkeitsfeldern benötigen auch abgegrenzte Kompetenzprofile. Durch das „Denken in Rollen“ kannst du spezifische Kompetenzprofile entwickeln, die du gezielt ausbilden kannst. Das wiederum hilft dir zu erkennen, welche Rollen falls nötig zusammengelegt werden können und daher von den gleichen Köpfen abgedeckt werden. Das funktioniert dann gut, wenn ein ähnliches Kompetenzprofil dahinterliegt und wenn mindestens eine Rolle systemkritisch ist.

4. Erkennen von Wachstumsengpässen

Durch das Denken in Rollen wird dir zwangsweise auffallen, an welcher Stelle du einen Kapazitätsengpass bekommen wirst. Beim Denken in Stellen ist dies häufig nicht der Fall. Dort wird häufig per Symptom festgestellt, dass nicht genug Kapazität vorhanden ist. An welcher Stelle genau der Engpass entstehen wird, ist häufig unbekannt. Durch das Rollenkonzept wird dies transparent.

5. Fokus auf Ablauf- und nicht auf Aufbauorganisation

Der Kundennutzen entsteht nicht durch die Aufbauorganisation (nicht durch das Organigramm), sondern durch die Ablauforganisation (deine Prozesse oder deine Projektinfrastruktur). Rollen entsprechen eher der Ablauforganisation, Stellen entsprechen eher der Aufbauorganisation. Beim „Denken in Aufbauorganisationen“ habe ich festgestellt, dass es häufig um Revierkämpfe und um die Verteidigung von Machtbefugnissen geht. Beim Denken in Ablauforganisationen steht der Kundennutzen eher im Vordergrund.

Wie das Modell Rolle, Stelle, Kopf funktioniert

Rollen definieren

Wenn du jetzt die Rollen in deiner Organisation beschreiben möchtest, dann kannst du folgendermaßen vorgehen:

Weg A: Die erste Möglichkeit ist, dass du mit deinen Mitarbeitern einen Workshop hältst und dort jeder Mitarbeiter alle Tätigkeiten notiert, die er/sie in den letzten vier Wochen erledigt hat. Das kann relativ lange dauern, je nach Komplexität der Tätigkeitsfelder einzelner Mitarbeiter. Danach könnt ihr euch zusammen überlegen, wo abgegrenzte Rollenprofile sinnvoll erscheinen.

Weg B: Eine andere Möglichkeit ist die Wertschöpfung deines Bereichs oder deiner Organisation zu skizzieren (Kernprozesse) und aus der Wertschöpfung heraus zu überlegen, welche Rollen benötigt werden, um den Kundennutzen zu erbringen. Mein Tipp ist es, dass du dir eine Excel-Liste mit folgenden Spalten anlegst:

  • Nummer: 1,2,3, …
  • Rolle: Bezeichnung der Rolle (z.B. „Interner Coach“, …)
  • Kategorie: Entweder „Direkt wertschöpfend“ (für die direkte Leistungserbringung notwendig), „Indirekt wertschöpfend“ (unterstützt die direkte Leistungserbringung oder Führung) oder „Nicht wertschöpfend“
  • Beschreibung: Hier kannst du beschreiben, wie diese Rolle auf die Gesamt-Wertschöpfung (dem Kundennutzen) der Organisation einzahlt. Das ist gut, um später den Mitarbeitern oder auch neuen Mitarbeitern zu erklären, warum diese Rolle existiert und wie diese Rolle auf die Gesamt-Wertschöpfung und dem Kundennutzen einzahlt.
  • Aufgaben: Hier kannst du in Stichpunkten das Aufgabenprofil der einzelnen Rollen ergänzen (z.B. Außendienst: Führt Kundentermine, pflegt Infos im CRM-System, schreibt Angebote, etc.).
  • Skalierung: Hier kannst du angeben, wie eure Rolle mitskaliert, wenn deine Organisation wächst (z.B. mit „++“ skaliert stark mit, „+“ skaliert ein bisschen mit, „0“ skaliert gar nicht mit).

Arbeiten mit Rollen

Wenn dein Team und du die Rollen initial definiert habt, geht es darum, die Rollen auszuwerten und den aktuellen Köpfen zuzuteilen, systemkritische Engpässe zu erkennen und mit laufender Transformation aufzulösen. Wenn du feststellst, dass du intern Rollen bedienst, die jedoch nicht zur Kernleistung und nicht zur Sicherstellung der Qualität benötigt werden, dann frage dich, ob du diese Rollen an externe Partner auslagern kannst. Das schafft wiederum Kapazität für andere Rollen und sorgt dafür, dass du dich in deiner Organisation auf die wichtigsten Rollen fokussierst.

 

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